Zulässigkeit von Vorstandsdoppelmandaten auch im faktischen Konzern
BGH, Urteil vom 09.03.2009 - II ZR 170/07 (OLG Hamburg)
- Dem personengesellschaftsrechtlichen Wettbewerbsverbot des § 112 Abs.
1 HGB unterliegen auch bei der gesellschaftsrechtlichen Sonderform der AG &
Co. KG zwar die Komplementär-AG und eine diese beherrschende, als
Aktiengesellschaft organisierte Mehrheitskommanditistin, nicht jedoch auch
deren Vorstandsmitglieder als ihre gesetzlichen Vertreter.
- So genannte Vorstandsdoppelmandate sind nach geltendem Aktienrecht
nicht verboten; ihre Zulässigkeit hängt allein von der Zustimmung der
Aufsichtsräte beider Gesellschaften zu der Doppeltätigkeit ab (§§ 84 Abs. 1,
88 Abs. 1 AktG).
- Der Minderheitskommanditist einer AG & Co. KG hat kein aus dem
Wettbewerbsverbot des § 112 Abs. 1 HGB ableitbares Mitwirkungsrecht in Form
eines Zustimmungsvorbehalts („Vetorecht“) bei der Besetzung der Vorstände
der Komplementär-AG und der Mehrheitskommanditistin (AG) mit
Doppelmandatsträgern. Auch in dieser Konstellation fallen die Bestellung
derartiger Vorstände und deren Befreiung von einem Wettbewerbsverbot in die
alleinige Zuständigkeit der Aufsichtsräte der beteiligten
Aktiengesellschaften.
Sachverhalt
Das Urteil klärt einen langjährigen Streit im Hause Gruner + Jahr, einer AG &
Co. KG. In dem Vorstand der Komplementär-AG und in dem der Mehrheitsaktionärin
(Bertelsmann AG) amtierte bis vor kurzem eine Person (Dr. K) in beiden Organen.
Die Minderheitsaktionärin, eine Familien-KG, ist damit nicht uneingeschränkt
einverstanden. Sie klagt gegen die Komplementär-AG und die Mehrheitsaktionärin
auf Feststellung, dass die Begründung eines solchen Vorstandsdoppelmandats nur
mit ihrer Zustimmung erfolgen dürfe. Ihre Klage blieb in allen Instanzen, auch
vor dem BGH, ohne Erfolg.
Entscheidung
Die Klägerin stützt ihr Vetorecht vor allem auf § 112 Abs. 1 HGB. Danach dürfen
Gesellschafter einer oHG bzw. (über § 161 Abs. 2 HGB) einer KG ohne Einwilligung
der anderen Gesellschafter keine Konkurrenzgeschäfte tätigen oder an einer
anderen Handelsgesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter teilnehmen.
Der BGH stellt klar, dass die Vorschrift – trotz § 165 HGB – auch auf die
Mehrheitskommanditistin (Bertelsmann AG) Anwendung findet. § 112 Abs. 1 HGB
erfasst jedoch, wie der BGH darlegt, weder unmittelbar noch analog die
Vorstandsmitglieder der beteiligten Aktiengesellschaften. Ein daraus
abgeleiteter Einwilligungsvorbehalt stehe mit den geltenden aktienrechtlichen
Kompetenznormen (§§ 84, 88 AktG) sowie mit den damit in Zusammenhang stehenden,
einschlägigen Grundsätzen des (Aktien-)Konzernrechts (§§ 16 ff. AktG) nicht in
Einklang. Der BGH vermeidet dadurch, dass in Fällen, in denen
Aktiengesellschaften an einer Personengesellschaft beteiligt sind, die
aktienrechtliche Kompetenzordnung durch das Personengesellschaftsrecht
überlagert wird. Auch die AG & Co. KG ist (wie die GmbH & Co. KG), so der BGH,
nach dem Trennungsprinzip nicht als Einheitsgesellschaft zu behandeln.
Praxishinweis
Das Urteil betrifft auf den ersten Blick eine seltene Rechtsformverbindung (AG &
Co. KG). Die praktische Bedeutung des Falls reicht jedoch darüber hinaus. Der
BGH stellt mit ihm klar, dass Vorstandsdoppelmandate nach dem geltenden
Aktienrecht zulässig sind, sofern die Aufsichtsräte der beiden
Aktiengesellschaften mit der Doppeltätigkeit des Vorstandsmitglieds
einverstanden sind. Damit sind Vorstandsdoppelmandate ein höchstrichterlich
bestätigtes Instrument der faktischen Konzernierung im Aktienkonzern. So
nützlich das Vorstandsdoppelmandat vor allem für die herrschende
Aktiengesellschaft sein kann, so gefährlich ist es aber für das
Vorstandsmitglied. Das Mitglied kann sich nicht auf eine vorrangige Loyalität
zur herrschenden Gesellschaft berufen. Der BGH betont, der Doppelmandatsträger
habe bei seinen Entscheidungen stets die Interessen des jeweiligen
Pflichtenkreises wahrzunehmen. Vor allem bei Rechtsgeschäften zwischen der
herrschenden und der abhängigen Aktiengesellschaft kann es schwierig oder gar
unmöglich sein, die Interessen beider Gesellschaften optimal zu wahren. Die
Haftungsrisiken einer solchen Doppeltätigkeit sind daher erheblich.
Vorstandsmitglieder, denen ein Doppelmandat angetragen wird, sollten sich daher
reiflich überlegen, ob sie sich der latenten Gefahr aussetzen wollen, stets
treuer Diener zweier Herren sein zu müssen. Das Vorstandsmitglied, dessen
Doppelmandat Anlass für den Streit gab, ist jedenfalls noch vor dem Ende des
Prozesses aus beiden Organen ausgeschieden.
RA(BGH) und StB
Dr. Erich Waclawik, Karlsruhe |