Haftung der Partner einer
Partnerschaftsgesellschaft nach internem Mandatswechsel
PartGG § 8 Abs. 2
War
ein Partner mit der Bearbeitung eines Auftrags befasst, endet seine Mithaftung
nicht mit der Abgabe des Mandats innerhalb der Partnerschaftsgesellschaft
BGH,
Urt. v. 12.9.2019 – IX ZR 190/18; Volltext in
BeckRS 2019, 22591
Sachverhalt:
Die Klägerin, eine Architektin, ließ
sich von einer Partnerschaftsgesellschaft in einer Bausache anwaltlich beraten.
Innerhalb der Gesellschaft war zunächst der Beklagte zu 1 für das Mandat
zuständig. Er riet der Klägerin (ausführlich begründet) von einer Klage ab. In
der Folgezeit wurde das Mandat von dem Beklagten zu 2 bearbeitet, der neu
in die Partnerschaft eingetreten war. Nach der Behauptung der Klägerin hatte
der Beklagte zu 1 ihr versichert, er werde die Arbeit des Beklagten
zu 2 überwachen. Unter dessen Ägide beschritt die Klägerin doch den
Rechtsweg. Die in erster Instanz erfolglose Klage wurde nach einem
Hinweisbeschluss in der Berufungsinstanz zurückgenommen.
Die Klägerin hat beiden Beklagten
– die Partnerschaft wurde erstaunlicherweise nicht verklagt – eine
unsachgemäße Prozessführung im Vorprozess vorgeworfen und Schadensersatz wegen
vergeblich aufgewandter Prozesskosten (rund 61.000 €) verlangt. Das LG (LG Mainz
v. 22.6.2017 – 1 O 236/16, BeckRS 2017, 155249)
hat die Klage gegen den Beklagten zu 1 mangels Pflichtverletzung und gegen
den Beklagten zu 2 wegen Verjährung abgewiesen. Dagegen ging die
kostensensible Klägerin in die Berufung, zunächst allerdings nur iHv 2.500,00 €. Nach einem Hinweisbeschluss zur beabsichtigten
Berufungszurückweisung (OLG Koblenz v. 14.3.2018 – 2 U 824/17,
BeckRS 2018, 40300) erweiterte die Klägerin die Klage auf 22.000,00 €.
Das Berufungsgericht wies die Berufung durch Beschluss zurück (OLG Koblenz
v. 7.5.2018 – 2 U 824/17, BeckRS 2018,
39991). Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ließ der BGH die
Revision in dem Prozessrechtsverhältnis zu dem Beklagten zu 1 zu (vgl. BGH
v. 21.2.2019 – IX ZR 190/18, BeckRS
2019, 3361) und verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück.
Entscheidung
des BGH:
In der Zulassungsentscheidung legt der
BGH zum einen dar, die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 2 habe zulassungsrechtlich
Bestand. Zum anderen begründet der BGH, aus welchem Grund die Klageerweiterung
im Berufungsverfahren wirksam gewesen ist. Damit sei die Wertgrenze des
§ 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO (20.000 €) überschritten worden. Die
Zurückweisung der Berufung durch Beschluss habe daran nichts geändert
(vgl. BGH in BeckRS 2019, 3361 Rn. 3–6). Im
Revisionsurteil befasst sich der BGH sodann (wie die Vorinstanzen) nicht mit
dem Schadensersatzanspruch als solchem, sondern allein mit der
gesellschaftsrechtlichen Haftung des Beklagten zu 1 als Partner der
Partnerschaftsgesellschaft. Diese folge im Ausgangspunkt aus § 8
Abs. 1 Satz 1 PartGG. Danach hafteten alle Partner neben dem Vermögen
der Partnerschaft als Gesamtschuldner. Dies gelte auch dann, wenn der in
Anspruch genommene Partner selbst keinen beruflichen Fehler zu verantworten
habe (vgl. BeckRS 2019, 22591 Rn. 6).
Die vom Berufungsgericht angenommenen
Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 PartGG lägen nicht vor. Nach diesem
Ausnahmetatbestand hafte ein Partner dann nicht, wenn er nicht mit der
Bearbeitung des Auftrags befasst war oder nur einen Bearbeitungsbeitrag von untergeordneter
Bedeutung geleistet habe. Das sei hier nicht der Fall. Der Beklagte zu 1
habe das Mandat zeitweilig bearbeitet; das genüge. Unerheblich sei, ob sein eigener
Rat richtig gewesen sei und ob er danach nicht mehr, auch nicht beratend oder
überwachend, in der Bausache tätig geworden sei. Ein Ende der Haftung mit der
internen Abgabe des Mandats sei in § 8 PartGG nicht vorgesehen. Für eine
entsprechende teleologische Reduktion bestehe kein Anlass. Diese würde die Haftungslage
zu Lasten des Mandanten erschweren und unübersichtlich machen (vgl. BeckRS 2019, 22591 Rn. 10). Es habe auch nur ein Auftrag
vorgelegen, den der Beklagte zu 2 fortgeführt habe, und kein an diesen neu
erteilter Auftrag. Daher habe sich das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsrechtszug
mit den Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs selbst zu befassen (vgl. BeckRS 2019, 22591 Rn. 12–13).
Anmerkung:
Die vorliegende Leitsatzentscheidung
ist nicht für die Amtliche Sammlung in Zivilsachen bestimmt, ist also kein
Urteil der obersten Kategorie. Das mag mit Blick auf die Breite des
Gesellschaftsrechts zutreffen, nicht aber für die Partnerschaftsgesellschaften
und deren Partner. Diese müssen die Entscheidung zur Kenntnis nehmen und ggf.
auch darauf reagieren.
„Berufung
light“ und Nichtzulassungsbeschwerde
Vor dem Blick auf den
gesellschaftsrechtlichen Kern des Falls sei ein Blick auf das erfolgreiche
Prozessverhalten der Klägerin in zweiter Instanz geworfen. Nachdem die
Regressklage in erster Instanz keinen Erfolg hatte, beschloss die Klägerin,
zwar in die Berufung zu gehen, aber zunächst nur mit einem geringen Betrag iHv 2.500 €. Eine solche „Berufung light“ ist
zulässig; geht sie jedoch verloren, ist nach § 26 Nr. 8 Satz 1
EGZPO der Weg in die Nichtzulassungsbeschwerde versperrt. Nach dem für sie
negativen Hinweisbeschluss wollte die Klägerin den Prozess nicht in der
Berufungsinstanz enden lassen, sondern vor den BGH ziehen. Hierzu erweiterte
sie den Berufungsangriff nicht in voller Höhe, sondern auf 22.000 €, den
ersten Gebühren-Schwellenwert nach GKG und RVG oberhalb der gesetzlichen
Wertgrenze. Das Berufungsgericht wollte dieser Taktik einen Riegel vorschieben
und hielt die Erweiterung des Berufungsangriffs in entsprechender Anwendung des
§ 524 Abs. 4 ZPO für wirkungslos (vgl. OLG Koblenz in BeckRS 2018, 39991 Rn. 13). Dieser Analogie ist
der BGH in seiner Zulassungsentscheidung entgegengetreten (vgl. BGH in BeckRS 2019, 3361 Rn. 5). Dem ist aus den in dem
Zulassungsbeschluss geäußerten Gründen beizupflichten; insbesondere fehlt es an
einer Regelungslücke. Damit billigt der BGH „Test-Berufungen“ mit geringem
Streitwert und eröffnet der kundigen Partei und ihrem Anwalt dennoch einen Weg
in die dritte Instanz. So lassen sich jedenfalls Gerichtkosten sparen. Die
Anwälte ihrerseits müssen überlegen, wie sie ihre Honorarinteressen wahren.
Ausnahmetatbestand
des § 8 Abs. 2 PartGG
Der BGH geht zunächst zu Recht von dem
Grundsatz des § 8 Abs. 1 PartGG aus und zeigt auf, dass § 8
Abs. 2 PartGG eine Ausnahme hiervon bestimmt. Das hat Auswirkungen auf die
Darlegungs- und Beweislast, die bei dem verklagten Partner liegt. Hiervon ausgehend
hing die vorliegende Entscheidung an der Auslegung des ersten Halbsatzes des
§ 8 Abs. 2 PartGG. Der BGH versteht den Wortlaut der Vorschrift in
dem weitestmöglichen Sinne, wonach eine Befassung mit einem Auftrag reicht,
auch wenn der Fehler später einem anderen Partner unterläuft und der Erstpartner
zu dieser Zeit mit der Sache nicht mehr befasst ist. Vorliegend hatte die
Klägerin zwar behauptet, der Beklagte zu 1 habe ihr zugesagt, er werde die
Arbeit des Beklagten zu 2 überwachen. Darauf kommt es jedoch nach dem BGH
nicht an; selbst wenn der Beklagte zu 1 dergleichen nicht geäußert hätte, würde
er dennoch haften. Auf dieses strenge Wortlautverständnis waren die
Vorinstanzen nicht gekommen. Sie waren – ohne überhaupt ein Problem zu
sehen – davon ausgegangen, das Haftungsprivileg des § 8 Abs. 2
PartGG greife bereits dann ein, wenn der Erstpartner in dem Zeitpunkt des
Fehlers nicht mehr mit der Angelegenheit befasst gewesen sei (vgl. LG Mainz
in BeckRS 2017, 155249 Rn. 17; OLG Koblenz
in BeckRS 2018, 39991 Rn. 11).
Mit seinen Gedanken zu der (fehlenden)
Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion räumt der BGH implizit ein, dass
dieses Normverständnis vertretbar ist und – siehe die hiesigen Vorinstanzen –
jedenfalls auf den ersten Blick sogar näherliegt. Andererseits muss man mit dem
BGH anerkennen, dass dieses Verständnis tatsächlich den Wortlaut des § 8
Abs. 2 PartGG beschränkt und damit begründungsbedürftig ist. Bei der Suche
nach solchen Gründen muss man allerdings feststellen, dass für die restriktive
Auslegung außer kollegialem Mitgefühl nichts, für die Auslegung des BGH hingegen
zwei Gründe sprechen: Das weite Verständnis des BGH ist zum einen in der
praktischen Anwendung einfach und damit rechtssicher. Ferner belastet es den
Prozess nicht mit der Frage, welcher Partner den Fehler begangen hat und ob zu
dieser Zeit alle in Anspruch genommenen Partner noch mit dem Auftrag befasst
waren. Beides stärkt die Position des (vormaligen) Mandanten, selbst wenn
dieser, wie bereits dargelegt, nicht darlegungs- und beweisbelastet ist. Die
Entscheidung des BGH fügt sich damit nahtlos in die bisherige
höchstrichterliche Judikatur ein, die im Zweifel dem Schutz der
Mandanteninteressen den Vorrang einräumt.
Reaktionsmöglichkeiten
der Praxis
Zunächst einmal gilt es für die
Partnerschaftsgesellschaften und ihre Partner, die Entscheidung und das dadurch
offenbar gewordene „Haftungsrisiko Partnerwechsel“ zur Kenntnis zu nehmen. Ein
erstes Remedium ist sodann, sich als Partnerschaft aufzuerlegen, gegenüber
Mandanten mit einer Stimme zu sprechen. Zu dem vorliegenden Prozess wäre es
nicht gekommen, wenn der Beklagte zu 2 nicht gegen den eingehend
begründeten Rat seines Kollegen gehandelt und das Gegenteil empfohlen hätte.
Profilbildung der Kanzlei und Haftungsvermeidung gehen hier Hand in Hand. Zweitens
ist daran zu denken, nach Möglichkeit Partnerwechsel zu vermeiden und interne
Zuarbeit durch Partnerkollegen nach Möglichkeit auch intern zu belassen (dahin
auch BeckRS 2019, 22591 Rn. 10 aE).
Ist drittens hingegen ein Partnerwechsel unausweichlich, ist es prinzipiell möglich,
dass der ausscheidende Partner den Auftrag beendet (und abrechnet) und dem
neuen Partner von dem Mandanten ein neuer Auftrag erteilt wird. Das bedarf allerdings
der Mitwirkung des Mandanten und einer klaren Dokumentation. Diese Möglichkeit
erwägt der BGH in seinem Urteil selbst, sieht die Voraussetzungen aber in dem
Streitfall nicht als gegeben an (vgl. BeckRS 2019,
22591 Rn. 12). Im Einzelfall mag dieser Weg zwar eine Lösung bieten;
ein breitflächig wirkendes Antidotum gegen die hier betrachtete Haftungsgefahr
dürfte darin aber nicht liegen. Zuletzt ist zu sehen, dass das vorliegende
Urteil des BGH Werbung für eine Rechtsform macht, die es mit keinem Wort
erwähnt: die PartGmbB. Zwar ist der Übergang in diese Rechtsformvariante der
Partnerschaft nicht kostenneutral zu erlangen (s. § 8 Abs. 4
PartGG, § 51a BRAO, § 67 StBerG); er löst das Problem jedoch
gleichsam an der Wurzel. Den hiesigen Beklagten zu 1 wird man von dem
Vorzug fehlender persönlicher Haftung nicht mehr überzeugen müssen.
Dr. Erich Waclawik, Rechtsanwalt (BGH) und
Steuerberater, Karlsruhe